Editorial

Qualitative Forschung und Leidenschaft

Autor/innen

  • Priv.-Doz. Dr. Margit Raich Pädagogische Hochschule Tirol
  • Prof. Dr. Julia Müller-Seeger Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Betriebswirtschaftslehre, insb. Unternehmensführung https://orcid.org/0000-0002-8043-9827

Abstract

Die Qualität eines Forschers mißt sich nicht an der Zahl der Antworten, die er gibt, sondern an der Qualität der Fragen, die er stellt.
© Aba Assa (*1974), Essayistin

Die Anwendungen und Diskussionen rund um Qualitative Methoden in den Wirtschafts-, Gesundheits-, Sozial- und Bildungswissenschaften haben in den letzten Jahren einen großen Wandel durchlaufen. Sie haben sich in diesen Feldern als eigenständige Forschungsrichtung etabliert und so die Möglichkeit geschaffen, neue Fragen in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen aufzuwerfen und diese mit ausgewählten Methoden zu beantworten. Sie ergänzen somit den Kanon bisheriger Methoden.

Qualitative Methoden zeichnen sich durch ihre Vielseitigkeit aus. Sie umfassen verschiedene theoretische und methodologische Ansätze, um Lebenswelten im Forschungsfeld zu untersuchen. Eine standardisierte Vorgehensweise, wie Daten erhoben oder analysiert werden, gibt es nicht. Die Wahl der Methode(n) soll angemessen und zweckmäßig sein. Die Datenerhebungen, Datenanalysen und Ergebnisdarstellungen haben wissenschaftlichen Kriterien wie Reliabilität, Belastbarkeit und Reflexivität zu erfüllen. Als Erhebungsmethoden können beispielsweise Interviews, Beobachtungen, Textdokumente oder ethnografische Feldstudien dienen. Die Analyse kann mit Hilfe von Software oder ohne Hilfsmittel, durch Inhaltsanalysen oder objektive Hermeneutik erfolgen. Auch gibt es unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten qualitativ gewonnener Ergebnisse. Die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses eröffnen für ein Forscherteam bzw. für einzelne Forscher:innen auch immer wieder neue Fragestellungen und Herausforderungen

Die Pandemie in den letzten Jahren hatte ebenfalls Auswirkungen auf den Einsatz qualitativer Methoden im Forschungsprozess. Durch die Einschränkung von physischen Kontakten war es für viele qualitative Forscher:innen nur mehr unter großen Auflagen oder gar nicht mehr möglich Kontakte zu ihren Studiensubjekten aufzubauen. Im Rahmen der Datenerhebung kam es vermehrt zur Anwendung digitaler Hilfsmittel. Auch verringerte sich durch Mobilitätsbeschränkungen und Homeoffice-Pflichten der Kontakt zu anderen Forscher:innen, sodass eine gemeinsame Arbeit an Projekten begrenzt möglich war. Hingegen setzten sich schnelle Auswertungsmethoden durch, um zeitnahe Ergebnisse zur Pandemiebekämpfung zu erhalten. Außerdem führte der Wegfall von Konferenzen zu einem fehlenden Diskurs von Forschungsergebnissen mit anderen Wissenschaftler:innen, der für die Weiterentwicklung in der Forschung von großer Relevanz ist.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Digitalisierung neue Möglichkeiten eröffnet Kontaktpersonen zu erreichen und Auswertungsmethoden anzuwenden. Dadurch wird eine größere Flexibilität für Forscher:innen und Proband:innen sowie eine effektivere Forschung ermöglicht. Die mit qualitativen Projekten einhergehende bisherige Zeit- und Kostenintensivität könnte dadurch minimiert werden. Außerdem lassen sich durch den Wegfall von Reisetätigkeiten Emissionen reduzieren.

In der Bewilligung von Forschungsgeldern könnten diese Veränderungen auch für mit qualitativ Methoden ausgerichtete Projekte eine Rolle spielen, wenn kostengünstige, schnellere bevorzugt werden. Diese Überlegungen bergen aber auch Gefahren. So können Personen, die nicht digital vernetzt sind, nicht mehr einbezogen und langfristig angesetzte Projekte seltener umgesetzt werden. Die Anwendung dieser Methoden kann dazu führen, dass Forscher:innen geleitet werden bestimmten Fragestellungen nachzugehen. Dies kann wiederum zu blinden Flecken in Forschungsbereichen führen.

Über die verschiedensten Veränderungen im Rahmen der Anwendung Qualitativer Methoden wird in Zukunft leidenschaftlich diskutiert werden. Diese Diskussionen kommen in den vorliegenden Beiträgen ebenfalls zum Ausdruck.

Es freut uns, dass wir den Diskussionen mit dem neuen Qual.met Journal nun eine neue Heimat geben können. Wir haben uns als Organisatorinnen des Qual.met Symposiums, das bisher viermal stattfand (ein Jahr mussten wir wegen Corona pausieren), bereits den regen Austausch von qualitativen Forscher:innen unterstützt. Die bisherigen Beiträge von Wissenschaftler:innen wurden bisher in Sammelbänden veröffentlicht. Aber auch hier wollen wir mit der Zeit gehen und die Ergebnisse Open Access zur Verfügung stellen. In Zukunft werden Beiträge aus dem Qual.met Symposium sowie zusätzlich eingereichte Artikel im Qual.met /Journal veröffentlich.

Downloads

Keine Nutzungsdaten vorhanden.

Autor/innen-Biografie

Priv.-Doz. Dr. Margit Raich, Pädagogische Hochschule Tirol

Priv.-Doz.in Dr.in Margit Raich hat im Oktober 2022 das Amt der Vizerektorin für Studienangelegenheiten an der Pädagogischen Hochschule Tirol übernommen. Vor ihrer Tätigkeit an der PH Tirol war sie als Universitäts- und Assistenzprofessorin an der Universität Innsbruck und UMIT Tirol tätig. Ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte umfassen Leadership, Führungskultur, Krisen- und Katastrophenmanagement, organisatorischen Wandel und qualitative Methoden. Sie ist Autorin zahlreicher Beiträge, Mitorganisatorin des Qualmet Symposiums und Mitbegründerin des gleichnamigen Open-Access-Journals.

Downloads

Veröffentlicht

08.05.2023

Zitationsvorschlag

Raich, M., & Müller-Seeger, J. (2023). Editorial: Qualitative Forschung und Leidenschaft. Qual.Met /Journal, 1(1), 2. Abgerufen von https://qualmet.org/journal/article/view/26